Erinnerungskubus im Rathaus Mössingen
Der Erinnerungskubus zum Mössinger Generalstreik ist eine Dauerausstellung im Rathaus Mössingen, Freiherr-vom-Stein-Str. 20. Die kompakte Präsentation informiert mit Text und Bild, Schubtafeln, integrierten Vitrinen und Bildschirmen über die Vorgeschichte, die Ereignisse, die Folgen und die Nachgeschichte des Streiks. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Rathauses besucht werden:
Mo - Fr 8 - 12 Uhr
Di 14 - 16 Uhr
Mi 14 - 18 Uhr
Anfragen zu Führungen am Erinnerungskubus auch außerhalb der angegebenen Öffnungszeiten an: museum_at_moessingen.de oder Tel. 07473 / 272012
Stadtrundgang auf den Spuren des Mössinger Generalstreiks
Mössingen hat sich seit 1933 stark gewandelt. 2009 wurde die Stadt mit ihren 20 000 Einwohnern zur Großen Kreisstadt erhoben. Das Erscheinungsbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Viele der ehemals ortsprägenden Gebäude wurden abgebrochen, so auch einige der baulichen Zeugen des Generalstreiks.
Einen Rundgang „Auf den Spuren des Mössinger Generalstreiks“ können Sie unter museum_at_moessingen.de oder telefonisch unter 07473 / 272012 buchen. Für eine Tour auf eigene Faust bieten nachfolgende Informationen und Fotos Orientierung.
An der Turnhalle des Arbeitersportvereins (Lichtensteinstraße) trafen sich am Vormittag des 31. Januar 1933 etwa 100 Personen und machten sich auf den Weg zu den drei größten Mössinger Textilfabriken, um diese zu bestreiken. Die Turnhalle, die 1925 von den Arbeitervereinen gebaut worden war und 1933 enteignet wurde, hat ihr Aussehen wesentlich verändert. Anstelle der großen und kleinen Glasfenster zum Parkplatz hin, wurden in der gesamten oberen Hälfte der Gebäudefassade Glasbausteine eingesetzt. 1962 wurde zum Sportplatz hin ein Vereinsheim angebaut, das knapp zehn Jahre später noch einen Küchenanbau erhielt. Auf dem Dach der Turnhalle befinden sich seit einigen Jahren Sonnenkollektoren, die die Ästhetik des Gebäudes stark beeinträchtigen.
Neben dem Haupteingang der Turnhalle wurde zum 70. Jahrestag des Generalstreiks eine Gedenktafel mit folgender Aufschrift angebracht: „Zum Gedenken an die Frauen und Männer, die von hier aus am 31. Januar 1933 den Mössinger Generalstreik gegen Hitler und die Nazidiktatur wagten.“ Sie stellt den ersten offiziellen Erinnerungsort an die Ereignisse des Generalstreiks in Mössingen dar.
Der Streikzug begab sich durch die Langgasse in Richtung Kreuzung „Auf der Lehr“, von wo es nach rechts in die heutige Falltorstraße hinab am damaligen Rathaus vorbei bis zur Mechanischen Weberei Pausa ging. An der Stelle des Fabrikensembles der „Alten Pausa“ befindet sich seit 1992 die Altenwohnanlage „Haus an der Steinlach“. Der voluminöse Bau mit seiner ausgeprägten Glasfront, erstreckt sich nicht nur über den Platz der ehemaligen Firmenanlage im Steinlachbogen, sondern nimmt auch das Gelände angrenzender Gebäude, wie der früher oberhalb gelegenen Molkerei und der Seilerei Neth ein. Die Gaststätte „Zum Schwanen“, die sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand und auf deren Treppe Fritz Wandel in einer flammenden Rede zum Streik aufrief, ist ebenfalls verschwunden. An dieser Stelle ist heute ein Parkplatz.
Am Ende der Falltorstraße (Kreuzung Bahnhofstraße/Berggasse) betrieb die einstige Trikotweberei Merz bis Ende der 1980er-Jahre noch ihre Fabrik. Dann schloss sie ihre Pforten und auf dem lange brachliegenden Gelände findet sich heute die neue „Mössinger Mitte“ mit Gesundheitszentrum, Wohneinheiten und Parkhaus.
Am Tag des Generalstreiks gelangte der Demonstrationszug um etwa 14 Uhr hier an.
In diesem damals patriarchalisch von Unternehmer Otto Merz geführten Betrieb kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Werksangehörigen, weil sich nur ein Teil der Belegschaft dem Streikzug anschließen wollte. Otto Merz telefonierte - nach einem Anruf im Rathaus - schließlich mit dem Rottenburger Landrat, der die Polizei alarmierte. Vom Werksgelände der Firma Merz marschierten über 800 Personen die Bahnhofstraße hinab zur Buntweberei Burkhardt.
Der Streikzug erreichte am Ende der Bahnhofstraße die Ofterdinger Straße, wo er um etwa 15:30 Uhr vor dem dritten Betrieb anlangte. Die Buntweberei Burkhardt wurde seit dem Jahr 1900 als Filiale der Pfullinger Firma Gebrüder Burkhardt betrieben. Weil der Unternehmer Merz die dortige Werksleitung vorgewarnt hatte, stand der Streikzug vor verschlossenen Fabriktoren. Rote Fahnen wurden vor den Fabrikfenstern geschwungen. Einige der Streikenden versuchten gewaltsam ein Werkstor aufzubrechen, was die Streikleitung jedoch unterband und die Rückkehr zur Turnhalle beschloss. Die Bauten der Firma Burkhardt sind neben der Turnhalle die einzigen noch erhaltenen Gebäude des Generalstreiks. Nachdem die Firma Burkhardt 1964 ihre Produktion in Mössingen einstellte, übernahm eine Kunstlederfabrik die Gebäude. 1988 zog die in den 1950er-Jahren in Talheim gegründete Firma Dölker ein, die 2009 ihre Pforten schloss. Heute werden die Räume als Büros oder Lager vermietet.
Siehe auch http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=6-1343982-7 und http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=6-1343982-16
Als sich der Streikzug wieder auf den Weg zurück ins Dorf machte, stellte sich auf der halben Strecke eine Front von etwa 40 Reutlinger Schutzpolizisten mit Schlagstöcken und Pistolen in den Weg. Der Ort des Zusammentreffens wird etwa auf der Höhe der heute rechts abbiegenden Goethestraße vermutet. In der Bahnhofstraße standen damals nur vereinzelt Häuser sowie westlich von ihr die 1928 errichteten Shedhallen der Firma Pausa, die an dieser Stelle das alte Werk im Ortskern bis in die 1960er-Jahre ständig erweiterte. Über die rechts und links der Straße noch zahlreich vorhandenen Felder und Wiesen machten sich die Streikenden im Angesicht der übermächtigen Polizeipräsenz davon. Da der 31. Januar 1933 ein regnerischer Tag war, kehrten die Fliehenden in der Regel mit stark verschmutzten Schuhen nach Hause zurück. Für die ermittelnden Kommissare und die Polizei waren solche in den kommenden Tagen Indizien für die Teilnahme am Streik.
Der ehemalige Karlsplatz war auf Antrag der SPD-Fraktion 1985 nach dem Streikführer Jakob Stotz benannt worden. Jakob Stotz war 1974 der erste Träger der nach der Stadterhebung neugeschaffenen Bürgermedaille. Diese Ehrung bezog sich jedoch nur auf seine Verdienste, die er nach 1945 als stellvertretender Bürgermeister erworben hatte. 1989 wurde am Jakob-Stotz-Platz eine Tafel angebracht, die auch seine Rolle als Streikführer am 31.1.1933 erwähnt.