Mössinger Generalstreik
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Umbruch 1945: Ende der NS-Zeit in Mössingen und Aufbau

Am 22. April 1945 um halb zwölf Uhr zogen marokkanische Divisionen des Französischen Armeekorps über das Nehrener Gässle kampflos in Mössingen ein. Überall begannen Hausdurchsuchungen und Plünderungen. Die Soldaten prügelten die Einwohner, schossen in die Luft und vergewaltigten in den folgenden Tagen, in denen sie wegen der Verteidigung des Albaufstiegs bei Talheim erst einmal nicht weiterziehen konnten, viele Frauen und Mädchen.

 

Zwei Tage später kehrten die Gemeindebediensteten wieder ins Rathaus zurück. Als neue Vertreter der Gemeinde traten jedoch die einstigen NS-Gegner und Antifaschisten auf. Jakob Stotz, der als einer der Streikführer 1933 im Hochverratsprozess verurteilt worden war, übernahm die Vermittlerrolle zwischen Besatzern und Bevölkerung. Von Oktober 1945 bis November 1948 wurde er als stellvertretender Bürgermeister eingesetzt. Gottlieb Rühle, der in der NS-Zeit Bürgermeister gewesen war, trat in die zweite Reihe. Stotz hatte sich für ihn eingesetzt, so dass er im Amt bleiben konnte. An die Stelle des seit dem Einmarsch nicht mehr tätigen Gemeinderats trat ein sechsköpfiger „Beratender Ausschuss“, der sich fast durchweg aus Mitgliedern der alten KPD-Ortsgruppe zusammensetzte. Als einer der einstigen Verantwortlichen in der NS-Zeit wurde der Ortsgruppenleiter Karl Ayen verhaftet und ins Internierungslager Balingen gebracht. Jakob Stotz setzte sich für dessen Entlastung und Freilassung ein. Als die Franzosen Ende 1946 die Öffnung des Massengrabes beim ehemaligen KZ Bisingen anordneten, wurden besonders belastete Personen und Honoratioren aus der Region – auch aus Mössingen - zum geöffneten Grab zitiert. 1946 wurde Rühle wieder zum Bürgermeister gewählt, er blieb bis 1962 im Amt.

 

Mit dem weitgehend unveränderten Wählerpotenzial der Weimarer Zeit konnten sich die Mössinger Kommunisten in den ersten freien Wahlen wieder etablieren. 1946 erlangte die KPD bei den Kreistagswahlen 34,1 Prozent und auch im Gemeinderat waren sie bei der ersten Wahl mit drei Sitzen wieder vertreten. Ein interner Streit führte jedoch dazu, dass zwei KPD-Listen aufgestellt wurden und sich die Stimmen auf die konkurrierenden Kandidaten verteilten. Bei der Gemeinderatswahl im Jahr 1948 konnten sich neben acht Kandidaten der Freien Wählervereinigung (FWV) nur noch zwei KPD-Vertreter durchsetzen, einer von ihnen war Jakob Stotz. Vom Ergebnis enttäuscht und in Anbetracht des zunehmenden Antikommunismus lehnten beide KPD-Männer ihre Mandate ab. Bis 1946 hatte sie der Ort als Fürsprecher und Organisatoren der Übergangszeit gebraucht, jetzt fühlten sie sich fallen gelassen. Vergebens versuchte Bürgermeister Rühle, die beiden KPD-Räte umzustimmen. Bei der nächsten Gemeinderatswahl im Jahr 1951 trat Stotz nochmals an und gelangte zusammen mit einem weiteren Kandidaten in den Gemeinderat. Als Stimmenkönige gingen in dieser Wahl jedoch zwei FWV-Kandidaten und ehemalige NSDAP-Mitglieder hervor. Die inzwischen rehabilitierten NS-Parteigänger, hatten im bürgerlichen Lager wieder das Sagen und zeigten sich wenig dankbar. 1953 konnte noch Karl Wagner als dritter KPD-Kandidat im Gemeinderat einziehen. Stotz trat 1955 von seinem Mandat zurück. Mit dem Verbot der KPD durch das Bundesverfassungsgericht 1956 und dem turnusmäßigen Ausscheiden der Abgeordneten ging die Zeit der KPD auch in Mössingen allmählich zu Ende. 1959 kandidierte Karl Wagner als „letzter Mössinger Kommunist“ nochmals auf der Liste der „Sozialen Wählervereinigung“ und blieb bis 1968 Mitglied im Gemeinderat.