Mössinger Generalstreik
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Denunziationen, Prozesse, Haft

Noch am Abend des 31. Januar kamen zwei Kriminalkommissare und ein Polizeiwachtmeister nach Mössingen, auch 14 Männer der Reutlinger Schutzpolizei blieben vor Ort. So konnten schon wenige Stunden nach der Auflösung des Demonstrationszuges die ersten Verhaftungen vorgenommen werden. Ein Indiz für die Teilnahme am Generalstreik waren u. a. der Schmutz, der noch an den Schuhen klebte, da das Wetter an jenem Januartag regnerisch war und die Streikenden sich über die aufgeweichten Felder abgesetzt hatten. Schon nach wenigen Tagen waren in Mössingen, Belsen, Talheim und Nehren 58 Personen festgenommen worden. Einige der Streikteilnehmer wurden auch verhaftet, weil andere Mössinger Bürgerinnen und Bürger sie bei der Polizei denunziert hatten. Die Vernehmungen fanden auf dem Mössinger Rathaus statt, wo die Beschuldigten auch aussagewilligen Augenzeugen des Geschehens gegenübergestellt wurden.

 

Nach der Festnahme und den Verhören verteilte man die Verhafteten auf verschiedene württembergische Gefängnisse. Insgesamt wurde gegen 98 der Streikteilnehmer Anklage erhoben. Bei 92 Personen lautete die Anklage auf „erschwerten Landfriedensbruch“ und bei sechs Männern, den so genannten Rädelsführern, auf „Vorbereitung zum Hochverrat in Tateinheit mit erschwertem Landfriedensbruch“.

 

Nachdem einige, zumeist Jugendliche, aus der Anklageliste gestrichen worden waren, wurde vom 15. bis zum 19. Juli 1933 gegen 81 Personen am Landgericht in Tübingen verhandelt. Die sechs wegen Hochverrats Angeklagten mussten sich im November 1933 vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts in Stuttgart verantworten.

 

Verurteilt wurden insgesamt 80 Personen, darunter drei Frauen. Die Haftstrafen der Mössinger bewegten sich zwischen drei Monaten und zweieinhalb Jahren. Nach Verbüßung der Gefängnisstrafe wanderten einige der Streikteilnehmer noch für geraume Zeit in „Schutzhaft“. Die höchste Strafe erhielt mit 4 1/2 Jahren der Reutlinger KPD-Unterbezirkschef Fritz Wandel. Doch auch danach war seine Leidenszeit noch nicht zu Ende. Nach vier Jahren Haft saß er bis 1943 in den Konzentrationslagern Welzheim und Dachau. Gegen Kriegsende zog man ihn noch zum „Bewährungsbataillon 999“ an die Ostfront ein, wo er schwer verwundet in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet.