Mössinger Generalstreik
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Der Mössinger Generalstreik am 31. Januar 1933

Um 12 Uhr trafen sich rund 100 Streikwillige vor der Mössinger Turnhalle. Nach kurzen Ansprachen verschiedener Mössinger KPD-Funktionäre und des Reutlinger KPD-Unterbezirkschefs Fritz Wandel marschierte man los zur Mechanischen Weberei Pausa. Als der Demonstationszug vor der Firma eintraf, war gerade Mittagpause. Zuvor hatte eine Abstimmung über eine Streikteilnahme stattgefunden, die eine Patt-Situation ergab. Deshalb wurde eine erneute Abstimmung beschlossen, die nach der Pause stattfinden sollte. Fritz Wandel nutzte die Zeit und hielt auf der Treppe der gegenüberliegenden ehemaligen Gaststätte „Zum Schwanen“ eine Rede, in der er die Pausa-Arbeiter von der Notwendigkeit einer Teilnahme am Streik zu überzeugen versuchte. Die zweite Abstimmung brachte eine Mehrheit für eine Streikbeteiligung. Daraufhin gaben die Besitzer des Unternehmens, das jüdische Brüderpaar Artur und Felix Löwenstein, den Beschäftigten für den Nachmittag frei.

 

Inzwischen war der Streikzug auf etwa 600 Personen angewachsen. Auf dem Weg zur größten Mössinger Textilfabrik, der Trikotwarenfabrik Merz wurden nun lauthals Parolen gerufen wie: „Wer macht uns frei? Die Kommunistische Partei!“ oder „Hitler verrecke!“ Nachdem die Streikenden bei der Firma Merz angekommen waren, drangen sie in die Fabrikräume ein und riefen „Maschinen abstellen!“ und „Heraus zum Massenstreik!“ Die meisten der Beschäftigten, vorwiegend junge Frauen, waren aber nicht gewillt, den Aufforderungen zu folgen. Erst nach längeren Diskussionen gelang es den Streikenden, die Arbeiten im Kesselhaus und im Websaal zu beenden. Im Nähsaal kam es zu einem größeren Tumult, der damit endete, dass die Arbeiterinnen von ihren Stühlen gezerrt und aus dem Raum gedrängt wurden.

 

Vergeblich versuchte der Fabrikbesitzer Otto Merz, die Streikenden zum Verlassen des Fabrikgeländes zu bewegen. Schließlich telefonierte er mit dem Mössinger Bürgermeister Karl Jaggy und forderte diesen auf, auswärtige Polizeikräfte anzufordern, um die Lage zu beruhigen. Laut Aussage des Fabrikbesitzers erwiderte Jaggy, Merz solle seinen Hut aufsetzen und spazieren gehen; bis er wieder zurückkomme, sei der ganze Spuk vorbei. Merz hielt sich jedoch nicht an diesen Ratschlag. Er rief beim Oberamt in Rottenburg an und bat um polizeiliche Unterstützung.

 

Der Streikzug war derweil auf ungefähr 800 Personen angewachsen, die Zeitungen sprachen sogar von 1000 Teilnehmern. Man stellte sich neu auf und marschierte die Bahnhofstraße abwärts zur dritten großen Mössinger Textilfirma, der Buntweberei Burkhardt. Dort waren die Fabriktore verschlossen, denn Merz hatte die Firmenleitung vorgewarnt. Einige Streikteilnehmer kletterten über den Fabrikzaun und schwenkten rote Fahnen vor den Fenstern, andere versuchten gewaltsam das Fabriktor aufzubrechen. Die Streikleitung unterband jedoch diese Aktionen und beschloss, zur Turnhalle zurückzumarschieren. Auf der Bahnhofstraße kam es dann zum Zusammentreffen von Polizei und Streikenden. Nachdem 40 Mann der Reutlinger Schutzpolizei mit Gummiknüppeln und Pistolen bewaffnet, die Bahnhofstraße gesperrt hatten, löste sich der Streikzug auf. Die Teilnehmer flüchteten über die angrenzenden Felder.